AG Dortmund, Az.: 425 C 9862/17, Urteil vom 30.10.2018
Das Versäumnisurteil vom 15.5.2018 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin; mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die der Beklagte vorab zu tragen hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin kauft Forderungen auf, die sie nach Abtretung durch den Forderungsinhaber im eigenen Namen eintreibt.
Der Beklagte war Mandant der Steuerberaterkanzlei E & Kollegen, die für den Beklagten diverse steuerrechtliche Angelegenheiten durchgeführt haben. Die Steuerberaterkanzlei hat dem Beklagten hierüber unter dem 29.11.2016 eine Rechnung über die Ermittlung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, über die Anfertigung der Erklärung zur Gewerbesteuer und die Umsatzsteuererklärung über insgesamt 1.173,10 € zukommen lassen. Nachdem der Beklagte diese nicht gezahlt hat, hat die Steuerberaterkanzlei die Forderung an die Klägerin abgetreten. Über das Vermögen der Steuerberaterkanzlei soll inzwischen das Insolvenzverfahren eingeleitet worden sein.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Abtretung und die Berechtigung der ursprünglichen Rechnungsforderung.
Der Beklagte hat zu Beginn des Vertragsverhältnisses mit der Steuerberatungskanzlei eine Vollmacht unterzeichnet, in der es heißt: “Vertraglicher Bestandteil sind die „Allgemeinen Auftragsbedingungen“ die als Anlage dieser Vollmacht beiliegen.“ In diesen Allgemeinen Auftragsbedingungen vom 1.1.2012 heißt es unter Ziffer 9:
„Verschwiegenheitspflicht“
[…]
6. Der Auftraggeber erteilt gemäß § 64 Abs. 2 StBGebV ausdrücklich seine Einwilligung dazu, dass der Steuerberater eine gegen den Auftraggeber bestehende Gebührenforderung an einen nicht als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten zugelassenen Dritten abtreten oder übertragen kann. Der Berater ist in diesem Fall verpflichtet, den neuen Gläubiger in gleicher Weise zur Verschwiegenheit zu verpflichten, wie der Berater.“
Die Klägerin hatte beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.173,10 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2017 sowie 174,50 € vorgerichtliche Kosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2017 zu zahlen.
Da der Beklagte zum Termin nicht erschienen war hat das Gericht am 15.5.2018 ein Versäumnisurteil nach Antrag erlassen.
Hiergegen hat der Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.
Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten
Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die Abtretung unwirksam sei. Ferner bestreitet er die Berechtigung der Forderung und rechnet mit Schadensersatzansprüchen auf.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben über die Fragen, inwieweit der Beklagte über die Abtretung informiert wurde durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Ernst.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.09.2018 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Das Versäumnisurteil war deshalb aufzuheben.
Der Klägerin steht weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht der geltend gemachte Anspruch aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt gegenüber dem Beklagten zu.
Eigene vertragliche Ansprüche zwischen den Parteien bestehen nicht.
Die Klägerin ist auch nicht Inhaberin einer vermeintlichen Forderung wie sie in der Rechnung vom 29.11.2016 aufgeführt ist. Die entsprechende Abtretung an sie ist unwirksam.
Abtretung von Steuerberaterforderungen an Dritte ist ohne deren Zustimmung wegen der damit nach § 402 BGB verbundenen umfassenden Informationspflicht in der Regel nichtig (BGH, Urteil vom 25.03.1993 – IX ZR 192/92). Insofern heißt es heute in § 64 Abs. 2 Steuerberatungsgesetz:
„Die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Personen und Vereinigungen im Sinne des § 3 Nr. 1 bis 3 und von diesen gebildeten Berufsübungsgemeinschaften ist auch ohne Zustimmung des Mandanten zulässig. Im Übrigen sind Abtretungen oder Übertragungen nur zulässig, wenn eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist. Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufzuklären.“
Der Beklagte hat eine diesen Anforderungen entsprechende Einwilligung nicht erteilt. Soweit die Klägerin zunächst behauptet hat, in der Vollmacht sei eine solche Einwilligung enthalten, kann das erkennende Gericht der von der Klägerin als Anlage K1 vorgelegten Vollmacht diesen Inhalt nicht ansatzweise entnehmen.
Aber auch Ziff, 9 der Allgemeinen Vertragsbedingungen enthält keine diesen Anforderungen gerecht werdende Einwilligung. Es handelt sich dabei um eine unwirksame Formularklausel. Dabei kann dahinstehen, ob nicht bereits die Regelung deshalb unwirksam ist, weil sie auf die falsche Ermächtigungsnorm Bezug nimmt. Es geht nicht um § 64 StBerGDV sondern um § 64 StbG. Es fehlt nämlich die in § 64 StbG verpflichtend vorgeschriebene Aufklärung über die Informationspflichten gegenüber dem neuen Gläubiger. Im Übrigen handelt es sich bei der Klausel um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB. Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 305 c BGB kann sich aus der Stellung der Klausel im Gesamtwerk der allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sie in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (BGH NJW 2010, 3152; BGH NJW 2010, 671). Das ist hier der Fall, da die Regelung als letzter Absatz unter der Überschrift „Verschwiegenheitspflicht“ steht. Die Verschwiegenheit ist zwar Sinn und Zweck des „relativen Abtretungsverbots“ und der deshalb verlangten Belehrung, für den Mandanten steht aber im Vordergrund die Tatsache, dass er es mit einem anderen Gläubiger zu tun bekommt. Deshalb rechnet der Vertragspartner unter der Überschrift „Verschwiegenheitspflicht“ nicht damit, dass dort eine Erklärung seinerseits – nämlich die Einwilligung zur Abtretung – vereinbart wird. Unter der Überschrift rechnet der Leser allenfalls mit Pflichten des Steuerberaters und des Dritten, also z.B. auch die in § 64 Abs. 2 Abs. 2 Satz 4 StbG vorgesehene eigene Verschwiegenheitspflicht des Dritten.
Nach alledem hat die Klägerin nicht dargetan, Inhaberin der geltend gemachten Forderung zu sein. Wenn die Abtretung nichtig ist, steht diese immer noch dem Steuerberatungsbüro oder ggfls. Insolvenzverwalter zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziffer 11, 711 ZPO.