LG Bremen, Az.: 31 Qs 245/10, Beschluss vom 29.07.2010
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bremen vom 14.06.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 26.05.2010 wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die im Beschwerdeverfahren entstandenen ausscheidbaren notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, zurückgewiesen.
Gründe
Gegen den Angeklagten war, nach Verfahrensabtrennung gegen seine Ehefrau als ehemals Mitangeklagte am 28.01.2010, seit dem 08.04.2010 allein vor dem Amtsgericht Bremen Hauptverhandlung auf der Grundlage der (teilweise) zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bremen vom 01.04.2009 wegen des Vorwurfes der Steuerhinterziehung geführt worden. Ihm werden darin für den Zeitraum vom 03.05.1999 bis 08.06.2004 mit der Anklage 16 rechtlich selbständige Handlungen der Steuerhinterziehung zur Last gelegt, teilweise gemeinschaftlich begangen mit seiner mit angeklagten Ehefrau, wobei es in vier Fällen beim Versuch verblieben sein soll. Er soll in seiner Eigenschaft als verantwortlich Handelnder einer ausländischen Domizilgesellschaft namens O. F. C. mit angeblichem Geschäftssitz in den USA im Inland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen gewesen sein und pflichtwidrig Betriebseinnahmen im Inland nicht versteuert und dadurch Körperschafts- und Gewerbesteuer hinterzogen sowie Solidaritätszuschlag nicht abgeführt haben.
Nach ausführlich durchgeführter Beweisaufnahme setzte das Amtsgericht am 27.05.2010 nach Anhörung der Beteiligten das Verfahren am 8. Hauptverhandlungstag mit Verkündung des Aussetzungsbeschlusses vom 26.05.2010 nach § 396 AO aus. Auf den Inhalt der Anklageschrift und den Aussetzungsbeschluss wird Bezug genommen.
Der gegen diesen Aussetzungsbeschluss gerichteten Beschwerde der Staatsanwaltschaft vom 14.06.2010 war der Erfolg zu versagen.
Nach herrschender Meinung, der sich die Kammer anschließt, sind auch für die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 396 AO aussetzende Beschlüsse im Lichte von §§ 305 StPO, 385 Abs.1 AO nur beschränkt und daraufhin überprüfbar, ob die Entscheidung in einem inneren Zusammenhang mit dem Urteil steht und die Aussetzung (nicht) ohne sachlich verständlichen Grund und damit rechtlich fehlerhaft angeordnet wurde (vgl. grundsätzlich OLG Karlsruhe NStZ 1985, 227 ff. mit Streitstand; Franzen Gast Joecks (Gast-deHaan) Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 396 Rdnr.30).
Damit ist hier die Beschwerde zwar nicht bereits unzulässig. Zu prüfen ist aber danach nur, ob die Entscheidung im Einzelfalle der Vorbereitung des Urteils dienlich ist, sich nicht nur verfahrenshemmend auswirkt oder überhaupt gesetzeswidrig ist, weil die Voraussetzungen von § 396 AO nicht vorliegen.
Das käme etwa dann in Betracht, wenn es an der in § 396 AO vorausgesetzten Vorfragenabhängigkeit fehlt oder der Aussetzungszweck nicht zu erreichen ist (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aussetzungsentscheidung nach § 396 AO indes liegen hier zweifelsfrei vor. Die durch die Finanzbehörden und das Finanzgericht zu entscheidenden Fragen, ob die O. F. C. einer AG deutschen Rechts steuerlich gleichzustellen ist und in den von der Anklage umfassten Zeiträumen eine Versteuerung nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten zu erfolgen hatte, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Urteilsfällung des anhängigen Strafverfahrens und sind dafür notwendige Vorfragen. Diese Vorfragen waren für das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss leitend.
Dass die Besteuerungsverfahren trotz Aufforderung des Finanzgerichts durch die Finanzbehörden seit Jahren nicht gefördert worden sind, ist dem Angeklagten nicht anzutasten und lässt die Aussetzungsentscheidung des Amtsgerichts unberührt. Auch haben die Finanzbehörden nicht ihrerseits zu erkennen gegeben, mit der weiteren Sachbehandlung bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuwarten zu wollen, wodurch der Aussetzungserfolg nach § 396 AO für das Amtsgericht unerreichbar geworden wäre.
Damit wirkt der amtsgerichtliche Beschluss in der Gesamtschau nicht ausschließlich verfahrenshemmend.
Die Aussetzung ist auch nicht aus sonstigen Gründen grob sachwidrig oder willkürlich erfolgt.
Allein die Zweckmäßigkeit und die Angemessenheit der Aussetzungsentscheidung nach § 396 AO sind der Überprüfung durch das Beschwerdegericht entzogen.
Es kommt deshalb auch nicht entscheidend darauf an, ob die Hauptverhandlung unmittelbar vor dem Abschluss gestanden hat und alle Rechtsfragen bereits gelöst sind. Gegen ersteres sprechen zudem die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts und die Stellungnahmen der Verteidigung, wonach weitere Beweisanträge ausdrücklich offen gehalten worden sein sollen; gegen letzteres die vom Amtsrichter niedergelegte und im Beschluss aufgegriffene Sach- und Rechtseinschätzung der Berichterstatterin des Finanzgerichts, die das Gegenteil davon darstellt. Diese wird mit der Beschwerde nicht angegriffen, und erscheint auch nicht offensichtlich sachfremd.
Die Frage der Verjährung hat das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss (in rechtlich zutreffender Weise, vgl. BayObLG NStZ 1990, 280) ausdrücklich erwogen und ersichtlich zum Gegenstand seiner Ermessensausübung gemacht. Deshalb ist die Entscheidung auch nicht infolge unterlassener Ermessensausübung willkürlich.
Damit konnte die Beschwerde nach allem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs.1 S. 1 StPO.