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Kindergeldanspruch – Entfall nach einer Erstausbildung und Teilzeitstudium

FG Neustadt, Az.: 5 K 2131/12, Urteil vom 28.01.2014

In dem Finanzrechtsstreit wegen Kindergeld hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz – 5. Senat – im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 28. Januar 2014 für Recht erkannt:

I.          Die Klage wird abgewiesen.

II.          Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

Kindergeldanspruch – Entfall nach einer Erstausbildung und TeilzeitstudiumZwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin nach § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG i. d. F. des Steuervereinfachungsgesetzes vom 1. November 2011 (BGBl I, 2131) ab Januar 2012 für ihren Sohn noch anspruchsberechtigt ist.

Die Klägerin war für ihren am 9. Januar 1989 geborenen Sohn P bis Ende Dezember 2011 kindergeldberechtigt. Am 25. Juni 2008 legte P bei der IHK erfolgreich die Prüfung zum Bauzeichner im Schwerpunktbereich „Tief-, Straßen- und Landschaftsbau“ ab (K-Akte, Bl.10). Seine Ausbildungsfirma, die A GmbH mit Sitz in D übernahm ihn ab dem 1. Juli 2008 als angestellten Bauzeichner.

Im Februar 2009 bewarb sich P am …-Technikum um einen Studienplatz im Fachbereich Bautechnik/Tiefbau zum staatlich geprüften Techniker. Am 16. März 2009 erhielt er die Zusage, dass seine Bewerbung in der Unterrichtsform Teilzeitunterricht erfolgreich gewesen sei (K-Akte, Bl.6). Die Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker konnte gemäß der im Jahr 2009 geltenden Prüfungsordnung in zweijährigem Vollzeitunterricht (mindestens 2400 Unterrichtsstunden) oder in vierjähriger Teilzeitform mit mindestens 1920 Unterrichtsstunden besucht werden. Die Gesamtqualifikation erreichte, wer alle Lernmodule des Schwerpunktes erfolgreich abschloss, wobei für jedes Lernmodul nach erfolgter Leistungsfeststellung ein Zertifikat erstellt wurde. Aufnahmevoraussetzung waren der Abschluss der Berufsschule sowie eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf und anschließend eine mindestens einjährige einschlägige Berufstätigkeit oder der Abschuss der Berufsschule und eine mindestens fünfjährige einschlägige Berufstätigkeit (FG-Akte, Bl.103).

Ab August 2009 studierte P neben seiner beruflichen Tätigkeit am …-Technikum im Schwerpunktbereich Tiefbau. Im Juli 2013 beendete P sein Studium mit Erfolg.

Der Geschäftsführer der A GmbH, Herr A., erklärte auf Ersuchen der Klägerin hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses ihres Sohnes am 14. Januar 2014, dass „es sich entsprechend mündlicher Vereinbarung und den darauf abgestimmten Lohn-/Gehaltsabrechnungen und Sozialversicherungsleistungen um eine volle Stelle handelte, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Betriebliche „Leerlaufzeiten“ im ersten Halbjahr 2012 nutzte Herr B. (=P) mit Zustimmung des Büros zu einer Intensivierung seiner Techniker-Ausbildung und Vertiefung seiner praktischen Erfahrung, mit Nutzungen und Unterstützungen wie vor umrissen, was zeitweise dem Ablauf und der Situation wie bei einer berufsbegleitenden dualen Ausbildung glich und dabei „unterm Strich“ zu einer ausschließlich dem Betrieb zu Gute kommenden Tätigkeit von dabei nur noch ca. 20 Stunden/Woche führte“ (FG-Akte, Bl.134).

Zu letzterer Ausführung erklärte Herr A., der Arbeitgeber des Sohnes des Klägers, auf fernmündliche Nachfrage des Gerichts am 23. Januar 2014, dass P als Arbeitnehmer „rein formal“ gleichwohl auch in der ersten Hälfte des Jahres 2012 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hatte (FG-Akte, Bl.137). Aufgrund nachlassender Auftragslage kündigte die A GmbH zum 30. Juni 2012 das Beschäftigungsverhältnis mit P (KK-Akte, Bl.106). Ab August 2012 war P nach Angaben der Klägerin bei einem anderen Arbeitgeber mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt (FG-Akte, Bl.133).

Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 wies die Beklagte darauf hin, dass für den Zeitraum Januar bis März 2012 möglicherweise kein Anspruch auf Kindergeld bestanden habe und dass das gewährte Kindergeld von Januar bis März 2012 in Höhe von 552,- € ggf. zu erstatten sei. Sie gab der Klägerin binnen zwei Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme (K-Akte, Bl.109). Die Klägerin erklärte hierzu, dass P eine Aufstiegsfortbildung zum Techniker absolviere, die im Jahr 2013 beendet werde. Es handele sich um ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung und sei einer „schädlichen“ Erwerbstätigkeit nicht gleichzustellen (K-Akte, Bl.110).

Mit Kindergeldbescheid vom 30. Juni 2012 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für P gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab Januar 2012 auf und führte aus, dass die besonderen Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG nicht erfüllt seien. P habe seine erste Berufsausbildung im Jahr 2008 abgeschlossen und befinde sich aktuell in einer weiteren Berufsausbildung (berufsbegleitendes Studium). Da P daneben einer Erwerbstätigkeit nachgehe, könne er gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 und S. 3 EStG nicht mehr berücksichtigt werden. Hierbei würden nur Erwerbstätigkeiten mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, Ausbildungsdienstverhältnisse oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse nach §§ 8 und 8a SGB IV nicht berücksichtigt.

Kindergeld sei aufgrund der oben genannten Festsetzung für den Zeitraum Januar 2012 bis März 2012 in Höhe von 552,00 € überzahlt. Dieser Betrag sei nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten (K-Akte, Bl.112).

Mit Einspruchsentscheidung vom 15. August 2012 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen (K-Akte, Bl.117 ff.).

Mit ihrer bei Gericht am 17. August 2012 eingegangenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der Gesetzgeber mit dem Wegfall der Einkünftegrenze in Höhe von 8.004,- € nicht gewollt haben könne, dass der Kindergeldanspruch für ihren Sohn P ab Januar 2012 habe entfallen sollen. Seine Ausbildung im Betrieb stelle eine Einheit mit dem Erststudium dar. Hierzu seien neben dem Studium mehr als 20 Wochenstunden erforderlich. Eine Reduzierung seiner Arbeitszeit sei nicht möglich gewesen, da er ansonsten auf Harz IV angewiesen gewesen sei.

Schon bei der Berufswahl P´s spätestens aber in der Ausbildung sei klar gewesen, dass eine berufszielbezogene Aus- und Weiterbildung erforderlich gewesen sei. Denn ein Bauzeichner im ländlichen Raum, der zudem noch pendeln müsse, könne in Deutschland aus eigenen Stücken keine Familie gründen bzw. ernähren. Ein Arbeitslohn von unter 1.000,- € im Monat lasse dies nicht zu. Aus diesem Grund habe sich P noch in seiner Ausbildung entschieden, das Abitur an Abenden und am Wochenende nachzuholen. Im Anschluss danach habe er das Studium begonnen. In der Einspruchsentscheidung spreche die Beklagte von einer schädlichen Erwerbstätigkeit ihres Sohnes. Es handele sich bei P´s Studium um ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung und somit nicht um eine schädliche Erwerbstätigkeit. Die weitere wichtige Ausbildung im Betrieb stelle mit dem Erststudium eine Einheit dar. Hierzu seien neben dem Studium aber mehr als 20 Wochenstunden Arbeit erforderlich gewesen.

Es könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein, dass einer der nichts tue oder in der Woche nur 20 Stunden arbeite, besser gestellt werde, als einer der bereit sei, die Strapazen einer Fortbildung auf sich zu nehmen und zudem noch länger als 20 Stunden in der Woche zu arbeiten. Der Arbeitsmarkt suche Personal, das in einer Kombination sowohl theoretisch als auch zugleich praktisch ausgebildet werde. Der Wegfall des Kindergeldes in diesen Fällen sei sicherlich nicht das, was der Gesetzgeber gewollt habe. In der Dienstanweisung sei eine Übergangszeit geregelt worden. Im Übrigen seien sein Arbeitsverhältnis mit mehr als 20 Stunden Arbeitszeit in der Woche und sein Studiengang aufeinander abgestimmt gewesen. Im Übrigen gebe es für die Berufstätigkeit ihres Sohnes keine Halbtagsstellen. Kein Betrieb würde dies mitmachen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Kindergeldbescheid vom 30. Juni 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 15. August 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt der Klage entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG die Prüfung einer anspruchsschädlichen Erwerbstätigkeit vorgebe. Eine erstmalige Berufsausbildung sei abgeschlossen, wenn sie zur Aufnahme eines Berufes befähige. Dies gelte auch, wenn sich daran eine darauf aufbauende weitere Ausbildung anschließe. Vorliegend habe der Sohn der Klägerin im Juni 2008 eine Ausbildung zum Bauzeichner abgeschlossen. Für den Streitzeitraum könne er nicht berücksichtigt werden, weil er eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, die in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung des § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG als schädlich für den Kindergeldanspruch anzusehen sei.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Mit Beschluss vom 5. Juni 2013 ist der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden (FG-Akte, Bl.63).

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Kindergeldbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Der Sohn der Klägerin hat nach seiner ersten Berufsausbildung zum Bauzeichner neben seiner Beruftätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein Studium zum Techniker am …-Technikum absolviert. Seine Beruftätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden führt im Streitfall dazu, dass die Klägerin ab Januar 2012 nicht mehr kindergeldberechtigt gewesen ist. Mithin hat die Beklagte das Kindergeld ab Januar 2012 zu Recht aufgehoben und für die Monate Januar bis März 2012 zu Recht zurückgefordert.

I. 1. Gemäß Art. 1 Nr. 17 des Steuervereinfachungsgesetzes vom 1. November 2011 (BGBl I, 2131) hat der Gesetzgeber § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG ab dem 1. Januar 2012 neu gefasst und festgelegt, dass ein Kind nach einer erstmaligen Berufsausbildung oder einem Erststudium in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt wird, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Nach § 32 Abs. 4 S. 3 EStG sind eine Erwerbstätigkeit mit bis zum 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a SGB IV unschädlich. Gemäß Art. 18 Abs. 1 des Steuervereinfachungsgesetzes vom 1. November 2011 ist Art. 1 Nr. 17, d. h. § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG, zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten.

2. Unter einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG ist eine auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Beschäftigung zu verstehen, die den Einsatz der persönlichen Arbeitskraft erfordert (BFH-Urteil vom 16. Mai 1975, VI R 143/73, BStBl II 1975, 537).

Ein Ausbildungsdienstverhältnis im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 3 EStG liegt vor, wenn die Ausbildungsmaßnahme Gegenstand des Dienstverhältnisses ist. Hierzu zählen bspw. die Berufsausbildungsverhältnisse gemäß § 1 Abs. 3, §§ 4 bis 52 BBiG. Ein Ausbildungsdienstverhältnis liegt hingegen nicht vor, wenn die Berufsausbildung oder das Studium nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses ist, auch wenn die Berufsausbildungsmaßnahme oder das Studium seitens des Arbeitgebers durch Hingabe von Mitteln, z. B. eines Stipendiums, gefördert wird (vgl. BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2011, BStBl I, 1243 Rz. 23 und 25). Eine Berufsausbildung liegt nach dem neugefassten § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Voraussetzung ist, dass der Beruf durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungslehrgangs erlernt und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Der Besuch einer allgemein bildenden Schule gilt folglich nicht bereits als erstmalige Berufsausbildung. Ein Studium stellt dann ein erstmaliges Studium dar, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt (BT-Drucks 17/512, S.41).

3. Den Wechsel von der Einkünfte- und Bezügegrenze des Kindes in Höhe von 8.004,- € gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung zu der ab dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung hat der Gesetzgeber damit begründet, dass sich die Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Kindes zum einen in vielen Fällen als aufwändig und kompliziert gestalte. Zum anderen werde die Einkünfte- und Bezügegrenze nur von einer relativ kleinen Gruppe der nach § 32 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG berücksichtigungsfähigen Kinder überschritten. Der Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder beim Familienleistungsausgleich sei mit einer erheblichen Vereinfachung der Anspruchsvoraussetzungen verbunden.

Der Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze mache es erforderlich, die Berücksichtigung von Kindern mit einer nebenbei ausgeübten Erwerbstätigkeit neu zu fassen. Zukünftig solle eine Erwerbstätigkeit nur noch bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums (vgl. § 12 Abs. 5 EStG) eines Kindes außer Betracht bleiben.

Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums bestehe die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten, und damit nicht mehr zu berücksichtigen sei. Die Vermutung gelte durch den Nachweis als widerlegt, dass sich das Kind in einer weiteren Berufsausbildung befinde und tatsächlich keiner (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgehe, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nehme. Der Umfang der schädlichen Tätigkeit werde – ausgehend von einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden – im Wege der Typisierung aus Gründen der Rechtsklarheit gesetzlich festgelegt. Danach sei eine Erwerbstätigkeit unschädlich, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden betrage. Ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis seien ebenfalls unschädlich (BT-Drucks 17/512, S.41).

II. Unter Zugrundelegung dessen hat der Gesetzgeber zum einen die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für die Zukunft ab dem 1. Januar 2012 neu regeln dürfen. Zum anderen haben die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld bei der Klägerin im Streitfall ab dem 1. Januar 2012 mit der Folge nicht mehr vorgelegen, dass die Beklagte die Gewährung von Kindergeld ab Januar 2012 zu Recht aufgehoben und das bereits ausgezahlte Kindergeld für die Monate Januar 2012 bis März 2012 zu Recht zurückgefordert hat.

1. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung des Kindergeldes ab dem 1. Januar 2012 im Streitfall selbst für den bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt – der Sohn des Klägers war bereits seit August 2008 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden berufstätig und absolvierte bereits seit August 2009 am …-Technikum ein Studium zum staatlich geprüften Techniker, das voraussichtlich im Juli 2013 endete – ändern dürfen, indem er die Gewährung des Kindergeldes im Falle der Begünstigungstatbestände des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nicht mehr von der bis zum 31. Dezember 2011 maßgeblichen Einkünfte- und Bezügegrenze des Kindes in Höhe von 8.004,- € abhängig gemacht hat, sondern die Gewährung von Kindergeld ab dem 1. Januar 2012 grundsätzlich nur noch für die Erstausbildung bzw. das Erststudium bewilligt und die Gewährung von Kindergeld nach Abschluss dieser Ausbildungen in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG typisierend künftig nur noch zulässt, wenn das Kind entweder keiner oder nur einer in § 32 Abs. 4 S. 3 EStG beschriebenen Erwerbstätigkeit nachgeht oder ein Ausbildungsdienstverhältnis eingegangen ist.

Diese Änderung der Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld ab Januar 2012 ist zulässig, da das Kindergeld eine Steuervergütung gemäß § 31 S. 3 EStG darstellt und der Gesetzgeber nur gehalten ist, einkommensteuerrechtlich das Familienexistenzminimum freizustellen und im Bereich der sozialrechtlichen Regelungen zur Förderung der Familie weniger strikteren Bindungen unterliegt als bei der grundsätzlichen Ausrichtung der Steuerbelastung an der wirtschaftlichen bzw. finanziellen Leistungsfähigkeit. Bei der Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Dem Gesetzgeber ist es hiernach nur nicht gestattet, bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten sachwidrig zu differenzieren. Gewährt er aus bestimmten Gründen eine staatliche Sozialleistung, so hat deren Zweckbestimmung wesentliche Bedeutung dafür, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen sachlich hinreichend gerechtfertigt sind. Danach bleibt auch für die Würdigung der Kindergeldregelungen in ihrer sozialrechtlichen Funktion verfassungsrechtlich von Gewicht, dass der Gesetzgeber diese Regelungen in ein abgestimmtes System von Steuerentlastung und Sozialleistung eingefügt hat und dass es in jedem Fall auch um die Erfüllung und Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags des Art. 6 Abs. 1 GG mit der Zielsetzung geht, die im Vergleich mit Kinderlosen verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit der Familie teilweise auszugleichen (vgl. Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164 ff. m. w. N., juris-Ausdruck Rn. 34).

Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG beachtet, indem er von der widerlegbaren Vermutung ausgeht, das ein Kind nach seiner erstmaligen Berufsausbildung oder seinem Erststudium grundsätzlich in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und damit beim jeweiligen Kindergeldberechtigten nicht mehr zu berücksichtigen ist. Zugleich hat er die Voraussetzungen geregelt, die die Vermutung widerlegen, dass das Kind nach einer Erstausbildung/einem Erststudium in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, nämlich dann wenn eine der Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG gegeben ist, d. h. wenn sich das Kind bspw. in einer weiteren Berufsausbildung befindet und tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht bzw. im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 3 EStG eine solche nur in eingeschränktem Umfang ausübt bzw. ein Ausbildungsdienstverhältnis im oben definierten Sinne eingegangen ist. Liegt jedoch eine Erwerbstätigkeit des Kindes mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden vor, ist – trotz der Verwirklichung eines Begünstigungstatbestandes – nach der vom Gesetzgeber vorgenommenen Typisierung eine für den Kinderanspruch schädliche Erwerbstätigkeit gegeben, da davon auszugehen ist, dass das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG mithin auch die verminderte Leistungsfähigkeit der Familie entfallen ist.

Die geänderten Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG hat der Gesetzgeber, da das Kindergeld eine Steuervergütung darstellt, entgegen der Auffassung der Klägerin auch ohne Übergangsregelung für die Zukunft, d. h. ab Januar 2012 ändern dürfen.

2. Da der Sohn der Klägerin im Sinne des neugefassten § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG im Januar 2012 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, die nicht auf eine regelmäßige wöchentliche Stundenzahl von 20 Stunden beschränkt gewesen ist, sondern mit seinem Arbeitgeber vielmehr eine regelmäßige wöchentliche Stundenzahl von 40 Arbeitsstunden vereinbart hatte, greift im Streitfall die Ausnahmeregelung gemäß § 32 Abs. 4 S. 3 EStG nicht, derzufolge eine Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden unschädlich ist.

Ebenso wenig hat im Streitfall im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 3 EStG mit der Fa. A GmbH ein Ausbildungsdienstverhältnis vorgelegen. Das mit der Fa. A GmbH seit August 2008 bestehende Arbeitsverhältnis ist zum einen nicht auf das Studium ihres Sohnes an der Fachschule ausgerichtet gewesen. Zum anderen ist der Arbeitsvertrag des Sohnes der Klägerin auch nicht im Hinblick auf sein im August 2009 neben seiner Erwerbstätigkeit begonnenes Studium angepasst und zu einem Ausbildungsdienstverhältnis umgestaltet worden. Zwar mag sein Arbeitgeber – die A GmbH – sein Studium am …-Technikum gefördert und ihm auch die Möglichkeit eröffnet haben, theoretisch Erlerntes praktisch in seinem Berufsalltag umzusetzen und ihm gelegentlich sogar hinsichtlich seiner wöchentlichen Arbeitszeiten entgegengekommen sein. Gleichwohl wurde die vom Sohn der Klägerin zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden nicht geändert. Rein formal hat der Sohn der Klägerin nach Angabe seines Arbeitgebers bis zur Beendigung seines Arbeitsvertrages am 30. Juni 2009 regelmäßig eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden gehabt.

Im Sinne des neu gefassten § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG hat hiernach ab Januar 2012 eine für den Kindergeldanspruch schädliche Erwerbstätigkeit des Sohnes der Klägerin vorgelegen, da der Gesetzgeber nach der von ihm vorgenommenen Typisierung davon ausgeht, dass ein Kind, das regelmäßig 40 Stunden in der Woche arbeitet, in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten, während Kinder mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bzw. bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne der §§ 8 und 8a SGB IV nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten, weshalb der Gesetzgeber diese Erwerbstätigkeiten als unschädlich eingestuft hat.

3. Die Beklagte hat die Gewährung von Kindergeld infolge der ab dem 1. Januar 2012 geänderten gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG zu Recht gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben, da in den für den Kindergeldanspruch erheblichen Verhältnissen, zu denen auch Änderungen in den rechtlichen Verhältnissen zählen, Änderungen eingetreten sind (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG-Kommentar, 32. Aufl. [2013], § 70 Rn. 5 und Wendl in: Herrmann/Heuer/Raupach, Bd. VIII, §§ 43-99, § 70 Anm. 13). Schließlich hat sie auch das Kindergeld für Januar bis März 2012 in Höhe von 552,- € zutreffend gemäß § 37 Abs. 2 AO zurückgefordert.

Nach alledem folgt die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO). Das Gericht hat gemäß § 90 Abs. 2 FGO entschieden.

Rechtsmittelbelehrung

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.

Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

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