BFH – Az.: IX R 10/19 – Urteil vom 03.09.2019
Leitsatz:
Wird eine Wohnimmobilie im Jahr der Veräußerung kurzzeitig vermietet, ist dies für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG unschädlich, wenn der Steuerpflichtige das Immobilienobjekt –zusammenhängend– im Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 07.12.2018 – 13 K 289/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) im Veranlagungszeitraum 2014 (Streitjahr) einen steuerbaren Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–) erzielt hat.
Der Kläger erwarb 2006 eine Eigentumswohnung, die er bis einschließlich April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken nutzte und mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 17.12.2014 wieder veräußerte. Im Zeitraum von Mai 2014 –seinem Auszug– bis zur Veräußerung im Dezember 2014 hatte der Kläger die Wohnung an Dritte vermietet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) ermittelte hieraus einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und erfasste diesen im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 20.05.2016. Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 710 veröffentlichten Entscheidung die Auffassung, der Kläger habe den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt, da er das maßgebliche Wirtschaftsgut –die Eigentumswohnung– im Jahr der Veräußerung bis einschließlich des Monats April und in den beiden vorangegangenen Jahren vollständig zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Die Vermietung in den Monaten Mai bis Dezember 2014 sei unschädlich. Die im Streitfall einschlägige Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG verlange nicht, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben müsse.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Das FA vertritt die Auffassung, dass die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG im Streitfall nicht greifen könne, da unmittelbar vor der Veräußerung der Eigentumswohnung weder eine Eigennutzung durch den Kläger stattgefunden noch ein Eigennutzungsäquivalent (Leerstand) vorgelegen habe. Die Auffassung des FG, wonach eine Zwischennutzung durch Vermietung im Jahr der Veräußerung unschädlich sei, widerspreche dem Leitmotiv der gesetzlich geregelten und einheitlich zu betrachtenden Ausnahmetatbestände in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Lediglich ein Leerstand –als Verlängerung der Eigennutzung– könne insoweit als unschädlich angesehen werden, nicht jedoch eine Nutzung zu Vermietungszwecken.
Das FA beantragt, das Urteil des FG vom 07.12.2018 – 13 K 289/17 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der Veräußerung seiner Eigentumswohnung den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) nicht erfüllt hat.
1. Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
a) Der Ausdruck „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ setzt in beiden Alternativen lediglich voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liegt nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 27.06.2017 – IX R 37/16, BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, m.w.N.).
b) Die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG setzt voraus, dass die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dabei muss die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung nicht während des gesamten Kalenderjahrs vorgelegen haben; vielmehr genügt ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie –mit Ausnahme des ersten Jahres vor der Veräußerung („mittleres Kalenderjahr“)– voll auszufüllen (BFH-Urteil in BFHE 258, 490, BStBl II 2017, 1192, m.w.N.; Trossen, Neue Wirtschaftsbriefe 2017, 3256 [3257]). Das bedeutet: Ausreichend für die Anwendung der Ausnahmevorschrift ist eine zusammenhängende Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen – wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur jeweils einen Tag zu umfassen braucht.
2. Das angefochtene Urteil des FG entspricht diesen Maßstäben. Zutreffend ist das FG von dem Grundsatz ausgegangen, dass eine „Zwischenvermietung“ vor der Veräußerung eines nämlichen Wirtschaftsguts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG unschädlich ist, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut –zusammenhängend– im Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr durchgehend und im zweiten Jahr vor der Veräußerung zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.
3. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger hat seine Eigentumswohnung zwar innerhalb der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Veräußerungsfrist angeschafft und wieder veräußert. Das Veräußerungsgeschäft ist jedoch nicht steuerbar, da die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG im Streitfall greift: Unstreitig hat der Kläger seine im Dezember 2014 veräußerte Wohnung in den Jahren 2012 und 2013 sowie im Zeitraum von Januar bis einschließlich April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt; die Nutzung erstreckt sich, wie von der genannten Ausnahmevorschrift verlangt, demnach über drei Kalenderjahre. Die „Zwischenvermietung“ der Wohnung im Zeitraum von Mai 2014 bis Dezember 2014 ist für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG unschädlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.